Weitsch, Friedrich Georg (1758-1828), Bildnis zweier Kinder mit einem Spielpferd, 1810 (Gm 1330)
Datum | Provenienz |
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spätestens Ende August 1933 | Eduard Weitsch, Nürnberg, erworben von Unbekannte(r) Vorbesitzer [1] |
05.06.1934 | Germanisches Nationalmuseum, erworben durch Kauf von Eduard Weitsch[2] |
Die Darstellung zweier Knaben mit einem Spielzeugpferd von Friedrich Georg Weitsch wurde am 5. Juni 1934 von Eduard Weitsch für 475 RM angekauft. Das Gemälde befand sich zuvor höchstwahrscheinlich durchgängig im Besitz der Familie Weitsch; im Inventarbuch ist vermerkt, die Dargestellten seien gemäß „Familientradition“ Neffen des Malers, die Söhne seines Bruders Anton. Der Vorbesitzer Eduard Weitsch (25.5.1883 Dresden–19.7.1955 Deisenhofen bei München) war in den 1920er Jahren ein führender Vertreter der Volksbildungsbewegung.[3] Das Volksbildungsheim Dreißigacker in Meiningen/Thüringen, das Weitsch aufgebaut und geleitet hatte, wurde 1933 geschlossen; er selbst wurde am 13. Juli 1933 mit Wirkung zum 1. August in den Ruhestand versetzt.[4] Schon unter der nationalsozialistischen thüringischen Landesregierung war Weitsch zum 1. April 1930 – aus politischen Gründen – „in den Wartestand“ versetzt worden.[5]
Weitsch verließ Thüringen und war vom 4. Juli 1933 bis zum 21. Juni 1934 zusammen mit seiner Frau Ilsa, geb. Theiss, und den drei Kindern in Nürnberg gemeldet. Von dort zog die Familie am 25. April 1934 nach Oberhaching um.[6]
Eduard Weitsch hat einen Antrag auf Entschädigung in München gestellt. Nach dem Bundesgesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWHÖD) vom 11. Mai 1951 war am 21. Januar 1953 anerkannt worden, dass Weitsch 1933 aus „politischen Gründen mit gekürzter Versorgung entlassen“ worden war. Er galt deshalb nach § 1 BEG als verfolgt und hatte nach § 3 BEG Anspruch auf Entschädigung.[7]
Nach Weitschs Tod überprüfte das Bayerische Landesentschädigungsamt diesen Beschluss. Grundsätzlich erklärte es sich für die Bearbeitung (seit dem 31. Dezember 1952?) zuständig, da Weitsch einen Wohnsitz in München hatte. Seinen Antrag auf Entschädigung hielt die Landesbehörde aber nur für „teilweise begründet“. Strittig war die Dauer der zugrundeliegenden „nationalsozialistischen Schädigungsmaßnahme“. Weitsch hatte für die Dauer vom 1. August 1933 bis 31. März 1950 Entschädigung für die „entgangenen Wartestandsbezüge“ beantragt. Das Bayerische Landesentschädigungsamt stellte sich auf den Standpunkt, Weitsch hätte „durch Zusammenbruch des Reiches“ ohnehin keine „Bezüge mehr aus ostdeutschen Kassen erhalten, weil er seit 1934 seinen Wohnsitz in Bayern hatte“. Daher könne für „diesen Schaden, der auch ohne die nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen eingetreten wäre, … gem. § 9 Abs. 5 BEG keine Entschädigung gewährt werden“. Für den Entschädigungszeitraum vom 1. August 1933 bis 31. Mai 1945 bestand der Berechnung des Landesentschädigungsamtes nach ein Anspruch auf 1697,14 DM.[8] Endgültig zum Abschluss kam das Verfahren erst nach dem Tod von Weitschs Witwe, als die Kinder Berufung einlegten. Mit einem Endurteil vom 17. März 1961 wurde in mündlicher Verhandlung eine weitere Kapitalentschädigung von 19.188 DM festgelegt. Die Neuberechnung erfolgte unter Anerkennung des verkürzten Zeitraums, berücksichtigte vor allem aber den Ausfall freiberuflicher Tätigkeit, die Weitsch entging (als Herausgeber der Zeitschrift Freie Volksbildung und als Autor für die Frankfurter Zeitung).[9]
Unberührt von dem verwaltungsrechtlichen Nachgang der Entschädigungssache Weitsch bleibt die Bewertung des Kunstverkaufs. Wenn Weitsch als politisch verfolgt galt, könnten die nachgewiesenen beruflichen Nachteile zum Verkauf von Kunstbesitz geführt haben. Bei der Bewertung des Kaufes wäre zu berücksichtigen, ob der Verkauf auch ohne NS-Verfolgung stattgefunden hätte. Dies muss ungewiss bleiben, da Weitschs Motive für den Verkauf nicht bekannt sind. Jedenfalls hat er keine weiteren Verkäufe an das GNM getätigt. Über den Verkaufserlös konnte der Vorbesitzer jedoch frei verfügen. Dies unterscheidet den Ankauf von solchen Fällen, in denen Zahlungen an jüdische Vorbesitzer auf Sperrkonten erfolgten. Den Empfang des Kaufpreises von 475 RM quittierte Weitsch am 16. Mai 1934. Das Geld aus der Transaktion erhielt er als Verrechnungsscheck.[10]
Siehe dazu:
Timo Saalmann: Exkurs 5 Aus der Familie des Künstlers angekauft. In: Gekauft – Getauscht – Geraubt? Erwerbungen zwischen 1933 und 1945. Bearb. von Anne-Cathrin Schreck, Anja Ebert, Timo Saalmann. Ausst.Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Nürnberg 2017, S. 124–127, URL: http://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/catalog/book/392.
[1] HA GNM, GNM-Akten K 125 Weitsch an Zimmermann, 24.8.1933 (No. 5037).
[2] Registrar GNM, Zugangsregister, Inventarbuch, Inventarkarte zu Gm 1330 (Kaufpreis 475 RM).
[3] Archivdatenbank der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung, Berlin; Anfrage: Weitsch, Eduard (http://bbf.dipf.de/kataloge/archivdatenbank/hans.pl).
[4] Bettina Irina Reimers: Die Neue Richtung der Erwachsenenbildung in Thüringen 1919–1933. Diss. Tübingen 2000. Tübingen 2001, URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-2546 [07.07.2017], S. 117.
[5] BayHStA, LEA 3726 (Weitsch, Eduard), Bescheid vom 24.1.1957 (zum 3. Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 29.6.1956).
[6] StadtAN, C 21/IX Nr. 338–590.
[7] Dies geht hervor aus BayHStA, LEA 3726 (Weitsch, Eduard), Bescheid vom 24.1.1957 (zum 3. Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 29.6.1956). Der Wortlaut des Gesetzestextes unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl151s0291.pdf.
[8] BayHStA, LEA 3726 (Weitsch, Eduard), Bescheid vom 24.1.1957 (zum 3. Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 29.6.1956).
[9] BayHStA, LEA 3726 (Weitsch, Eduard), Endurteil der mündlichen Verhandlung vom. 17.3.1961 (beglaubigte Abschrift; Az. 2 EK 1783/57, LEA 6164/I/2057).
[10] HA GNM, GNM-Akten, K 3141, Zimmermann an Weitsch, 14.5.1934, Quittung Weitsch, 16.5.1934 (Beleg Nr. 38).