Warschauer Manufaktur Belvedere, Teller, um 1775 (Ke 792)

Warschauer Manufaktur Belvedere, Teller, um 1775 (Ke 792)
Inv.Nr.
Ke 792
Inv.Nr. (alt)
HG 9339
Zugangsregisternr.
ZR 1939/76
Alternativer Titel
Flacher Teller
Material
Warschauer Fayence, Muffelmalerei, Vergoldung
Maße
Durchmesser 23,8 cm
Sammlung
Kunsthandwerk bis 1800
Objektuntersuchung
im UV-Licht Reste eines rechteckigen, großen Aufklebers (?) zu erkennen; Marke CO
DatumProvenienz
18.09.1939Germanisches Nationalmuseum, erworben durch Kauf von Göhringer (Mathias Göhringer Antiquitäten)[1]
Die Provenienz für den Zeitraum 1933 bis 1945 konnte nicht eindeutig geklärt werden.


Der Fayenceteller, der der Warschauer Manufaktur Belvedere zugeordnet wird und im Fond eine Bemalung mit zwei Vögeln und Päonien trägt, wurde im September 1939 von Museumsdirektor Heinrich Kohlhaußen persönlich beim Freiburger Kunsthändler Mathias Göhringer für 225 RM erworben. Der Ankauf erfolgte zusammen mit einer Rasierschüssel aus Porzellan für 70 RM (Ke 541).

Im Schriftwechsel mit Kohlhaußen erwähnt Göhringer, dass „dieser Teller [gemeint ist Ke 792] augenblicklich, seiner Herkunft wegen – sehr actuell ist, und wir, wie Sie es wohl denken können, durch all die Ereignisse in der Heimat dieser interessanten Fayence – mit unseren Financen etwas am Trockenen sitzen…“.[2] Dies bezieht sich auf den Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 mit dem Überfall auf Polen; es lässt sich dieser Äußerung jedoch nicht entnehmen, ob der Teller selbst von Göhringer in Polen erworben worden war.

Das Schreiben ist von „Gräfin v. Lamberg-Ortenegg“ unterzeichnet, die offenbar Mitarbeiterin Göhrings war.[3] Es ließ sich nicht mit Sicherheit eruieren, um welche Gräfin von Lamberg-Ortenegg es sich handelt.[4] 

Weder der Warschauer Teller noch die Rasierschüssel Ke 541 konnten im zeitgenössischen Kunsthandel nachgewiesen werden. Sie lassen sich insbesondere nicht in Erwerbungen Göhringers nachweisen, die aus verschiedenen Quellen erschlossen werden können: So erwarb Göhringer 1937 Objekte aus den Warenbeständen des Münchner Kunsthändlers Siegfried Lämmle, nachdem dieser sein Geschäft schließen musste.[5] Auch erscheint Göhringer als Käufer in drei Auktionen bei Julius Böhler, München (Auktion Slg. Margarete Oppenheim, 18. bis 20. Mai 1936; Auktion Slg. Theodor Stroefer, 28. Oktober 1937; Auktion Slg. Georg Schuster, 17./18. März 1938).[6] Weder unter den von Göhringer erworbenen Lämmle-Objekten, die in einer Liste in der genannten OFD-Akte des Staatsarchivs erfasst sind, noch in den Katalogen der drei genannten Böhler-Auktionen sind die Objekte nachweisbar. Auch eine Durchsicht der Keramik-Fotos aus den Beständen der Kunsthandlung Böhler, die im Zentralinstitut für Kunstgeschichte München aufbewahrt werden, erbrachte keinen Hinweis. Ebenso erscheinen die beiden Objekte nicht in den Versteigerungen des Lämmle-Warenbestands bei Weinmüller, 2. bis 4. Dezember 1937, 28./29. Juni 1938.[7]

Göhringer ist bis 1941 als Kunsthändler nachweisbar, im selben Jahr wählte er den Freitod. Es ließen sich keine Hinweise auf Verfolgung finden. Ein verfolgungsbedingter Entzug lässt sich dennoch nicht mit Sicherheit ausschließen.

1940 erwarb das Germanische Nationalmuseum bei Göhringer außerdem BA 1622 bis 1624 (ZR 1940/43). Sie wurden nicht im Projekt untersucht.

 


[1] Registrar GNM, Zugangsregister, Inventarbuch, Inventarkarte zu Ke 792, HG 9339 (Kaufpreis 225 RM). HA GNM, K 132, Ankaufsakten 1939, Schriftwechsel Göhringer mit Kohlhaußen, GNM, 21./22.8.1939 (Nr. 3943), 11.9.1939 (Nr. 4159), 13.9.1939 (Nr. 4159, rückseitig), 15.9.1939 (Nr. 4213); GNM-Akten K 6765, Hauptmuseumsfonds Ausgabebelege 1939, Beleg Nr. 147/45, Rechnung Göhringer, 15.9.1939.

[2] HA GNM, K 132, Ankaufsakten 1939, Lamberg-Ortenegg/Göhringer an Kohlhaußen, GNM 11.9.1939 (Nr. 4159); s. ebd., Göhringer an GNM, 22.8.1939 (Nr. 3943), zum Erwerb durch Kohlhaußen persönlich.

[3] Vgl. den Schriftwechsel zwischen Mathias Göhringer und dem Dichter Hans Franck in dessen Nachlass in der Landesbibliothek Schwerin, in dem sich ein von Gräfin von Lamberg-Ortenegg unterzeichnetes Schreiben vom 3.4.1936 mit dem Briefkopf Göhringers befindet, Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Günther Uecker, Schwerin, NL 08 Br Göhr.

[4] S. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser / A, Bd. 109. Gotha 1936; Genealogisches Handbuch der Gräflichen Häuser / A, Bd. IV, Bd. 28 der Gesamtreihe. Limburg/Lahn, Glücksburg 1962, jeweils Eintrag zu Lamberg (in den Jahrgängen dazwischen sind die Grafen Lamberg nicht verzeichnet). Zu den Lamberg-Wappen s. Johann Siebmacher: J. Siebmacher’s großes und allgemeines Wappenbuch, 4,5: Oberösterreichischer Adel. Bearb. von Alois Freiherrn v. Starkenfels, abgeschlossen von Johann Evang. Kirnbauer v. Erzstätt, 2 Bände: Textband, Tafelband. Nürnberg 1885–1904, Bd. 2, Taf. 50.

[5] StAM, OFD 10366, Lämmle.

[6] GNM, DKA, NL Böhler, I-B 6, S. 33.

[7] Meike Hopp, München, danke ich für die Überlassung von Listen der bei Weinmüller versteigerten Lämmle-Objekte.

Bearbeitung
AE